Weil am Rhein Mit veränderten Umständen konfrontiert

Weiler Zeitung

Rückblick: OB Wolfgang Dietz über die Rahmenbedingungen städtischer Haushaltsplanungen in der heutigen Zeit

Von Wolfgang Dietz

Weil am Rhein. Keine Kommune kann sich von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen entkoppeln. Das gilt auch für Weil am Rhein und besonders für das kommende Kalender- und Haushaltsjahr. Wir müssen uns über fünf Tatsachen im Klaren sein: Die gesamtwirtschaftliche Lage hat sich eingetrübt, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen lässt angesichts weltweiter Unsicherheiten nach, das wirtschaftliche Wachstum ist deutlich reduziert und liegt unterhalb der Inflationsrate: Dagegen boomen in Deutschland der private Konsum und die Baukonjunktur – wir merken es bei unseren Ausgaben eher schmerzlich!

Diese veränderte Gesamtsituation resultiert aus meiner Sicht aus mehreren zusammenwirkenden Faktoren: Dank der anhaltenden, unglaublich niedrigen Kreditzinsen beobachten wir eine Flucht in die Sachwerte. Der für die deutsche Wirtschaft so bedeutsame Exportmarkt ist geprägt von unvorhersehbaren Ereignissen, teilweise erratisch wirkenden politischen Wendungen in der Handels- und in der Außenpolitik. Wichtige industrielle und gewerbliche Branchen und die öffentliche Hand finden kaum oder keine Fachkräfte. Der technologische Umbruch deutet sich in den für Baden-Württemberg so wichtigen Bereichen Automobil und Maschinenbau an, ohne dass es – beispielsweise in der Antriebstechnik – eine verlässliche und eindeutige Ausrichtung gibt. Der Wunsch nach immer größeren und umfassenderen staatlichen und kommunalen Leistungen scheint ungebrochen.

Von Bund, Land und Kreis gesetzte Rahmenbedingung

Diese Rahmenbedingungen haben Konsequenzen für unseren Haushalt 2020. Wir erwarten eine niedrigere Gewerbesteuer, einen niedrigeren Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, geringere Landeszuweisungen bei zugleich höheren Ausgaben an den Finanzausgleichstopf. Das alles sind wirtschaftlich verursachte und dann in ihren Auswirkungen gesetzlich festgelegte Tatbestände. Wir können sie lokal nicht beeinflussen, allenfalls bei der Gewerbesteuer.

Hinzu kommt, dass Bundes-, Landes- und Kreispolitik selbst schwierige Rahmenbedingungen setzen. Das Ringen zwischen den kommunalen Landesverbänden und dem Land über die Kostensteigerungen durch das Bundesteilhabegesetz, das Gute-Kita-Gesetz und die Kosten der Unterbringung von Flüchtlingen dauerte bis in die jüngsten Tage. Die Kommunen stellen nicht die Gesetze oder gar die guten Absichten dahinter in Frage. Es ist die immer wiederkehrende Inkonsequenz zwischen Beschlüssen und Kostentragung, die sich für uns belastend auswirkt.

Der Grundsatz der Konnexität hat in Baden-Württemberg Verfassungsrang (Artikel 71 Absatz 3 LandVerf). Das ist der Verfassungsgrundsatz, den der Volksmund einfach und prägnant übersetzt mit: „Wer bestellt, bezahlt!“ Was selbstverständlich erscheinen mag, ist in der politischen Auseinandersetzung leider nicht der Fall. Besonders unschön ist es in diesem Jahr vor dem Hintergrund, dass das Land für sich selbst für 2020 mit deutlichen Mehreinnahmen rechnet.

Die Kommunen beobachten einmal mehr: Andere lassen sich für Wohltaten öffentlich belobigen, die Kostenfolgen müssen die Kreise und Kommunen tragen, denen man die Kosten versehen mit dem Etikett „gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ um den Hals hängen will. Besonders beliebt sind zudem sogenannte Pilotprojekte mit zeitlich begrenzter Förderung. Schon jetzt kann man sich die lobenden Worte über die Notwendigkeit, sie dann auf alleinige Kosten der Kommunen fortzusetzen, ausmalen. Leider fallen zu viele Kommunalpolitiker auf diese goldene Karotte herein, die man ihnen vorhält.

Das Füllhorn von Aufgaben, Auflagen und verpflichtenden Ausgaben, das über uns ausgeschüttet wird, hat weder eine große Schwester noch wenigstens einen kleinen Bruder bei den Einnahmen. Und so wird aus der Wohltatspublizistik diverser politischer Ebenen langsam aber sicher ein Mühlstein, der den Kommunen um den Hals hängt.

Wir müssen bei jedem Posten kritisch seine Wirtschaftlichkeit hinterfragen

Um die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen und um selbst gesteckte Ziele zu erreichen, erhöht der Landkreis die Kreisumlage, die die Gemeinden aufbringen müssen. Weil am Rhein wird 2020 so viel Kreisumlage bezahlen wie nie zuvor, nämlich 15,48 Millionen Euro. Auch ohne den Hebesatz zu erhöhen, wären es eine Million Euro mehr gewesen als 2019. Als Stadt können wir auf diese fremdbestimmten Umstände nur begrenzt reagieren: Wir müssen das entstehende Defizit bei den laufenden Ein- und Ausgaben, dem sogenannten Ergebnishaushalt, für das kommende Jahr erdulden. Das muss ein einmaliger Vorgang bleiben. Wir müssen beim Bewirtschaften der Mittel bei jeder Haushaltsposition kritisch nach der Wirtschaftlichkeit fragen. Wir üben Ausgabendisziplin, indem wir Unterhaltsmaßnahmen den Vorrang geben, um die Substanz unserer Einrichtungen zu pflegen. Und wir geben bereits begonnenen oder stark konkretisierten Projekten den Vorrang vor neuen Aufgaben. Für zusätzliche Maßnahmen sehen wir 2020 keinen Spielraum.

Nach der Nordwestumfahrung stehen mit der Heldelinger Unterführung und der Erneuerung der Straßenbrücke an der Güterstraße zwei weitere bedeutsame Tiefbauprojekte in Haltingen an. Ein zweiter Schwerpunkt des Tiefbaus liegt in Friedlingen mit den Erneuerungen der Grenzstraße, der Sundgaustraße sowie dem Umbau der Rheinuferlinie. Städtebaulich bedeutsam sind auch die Sanierungsgebiete in Haltingen und Friedlingen, die sich ebenfalls im kommenden Haushalt bemerkbar machen werden.

Konsequent umgesetzt werden die Beschlüsse im Sportsektor: ein Kunstrasen für den städtischen Platz in Haltingen, ein Winternaturrasen für den städtischen Platz in Friedlingen und dazu ein Kleinspielfeld aus Kunstrasen. Zudem entstehen in Friedlingen derzeit das Jugendhaus Juno II und die benachbarte Freiluftsportanlage. Schließlich gilt es, die Sanierung der Gemeinschaftsschule abzuschließen und die erste finanzielle Etappe für die Erweiterung des Rathauses im Haushalt abzubilden. Und für unsere Feuerwehr steht die Beschaffung von drei neuen Fahrzeugen an.

All diese Investitionen werden erhebliche Abschreibungen in den kommenden Haushalten auslösen. Unter nachhaltigen Haushaltsgesichtspunkten gilt: Realisierte Wünsche von heute, stehen auch morgen noch auf der Ausgabenseite des Haushalts. Einige der im Gemeinderat angedachten Investitionen in unsere Infrastruktur werden in der mittelfristigen Finanzplanung voraussichtlich mit Kreditaufnahmen verbunden sein müssen.

Kommunale Aufgaben kennen keinen Stillstand

Zudem: Wer investiert, muss seine öffentliche Infrastruktur auch fortgesetzt pflegen.

Kommunale Aufgaben kennen keinen Stillstand. Wir reichen deshalb manche Projekte wie einen Staffelstab über die Zeit mehrerer Haushaltsjahre weiter. 2019 haben wir hauptsächlich Wohnungsbau und Verkehrsprojekte in die Wege geleitet. 2020 setzt der Haushaltsplan Schwerpunkte im Bereich öffentlicher Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Stadtentwicklung, Unterbringung der Verwaltung und wiederum Verkehrsprojekte.

Mir ist es ein wichtiges Anliegen, deutlich zu machen: Im neuen Jahr werden wir es noch vermeiden können, an die Bürgerinnen und Bürger weiterzugeben, was Bund, Land und Kreis uns als Zusatzlasten aufbürden. Noch fangen wir die Lasten auf. Aber das wird nicht so bleiben können! Die Konsequenzen des Wünschens- und Erstrebenswerten müssen wieder in den Fokus des politischen Handelns aller Ebenen gerückt werden. Nüchterne Analysen und ein Ende der Konsequenzenlosigkeit sind mehr denn je gefordert. Mir ist klar, dass Finanzstrukturen nicht zu den Themen gehören, die die meisten Menschen besonders spannend finden. Ich halte es aber für dringend angezeigt, dass wir im Aufbau unseres Staates die Verantwortlichkeiten für Aufgaben und Einnahmen deutlicher klarstellen müssen. Die kommunale Selbstverwaltung konnte ihre Stärke immer dann entfalten, wenn solche Klarheit bestand.

Wolfgang Dietz ist im Jahr 2000 zum Oberbürgermeister der Stadt Weil am Rhein gewählt und im Jahr 2008 im Amt bestätigt worden. Zuvor hatte er 1987 in Brüssel das Informationsbüro des Landes Baden-Württemberg aufgebaut.

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