Lörrach Ulrich Lusche zieht nach 20 Jahren im Gemeinderat Bilanz

Bernhard Konrad
„Ohne ehrenamtliches Engagement funktioniert unser Gemeinwesen nicht“, sagt Ulrich Lusche Foto: Bernhard Konrad

Mit Ulrich Lusche verliert der Lörracher Gemeinderat eine seiner profiliertesten Stimmen. Nach 20 Jahren im Gremium stellt sich der Christdemokrat nicht mehr zur Wahl. Im Gespräch mit unserer Zeitung blickt er auf ereignisreiche Jahre zurück.

Die starke Verbindung zu Lörrach, seiner Stadt, hat Lusche schon früh in die Kommunalpolitik und nur wenige Jahre später auch in die Landespolitik geführt. Von 2004 bis 2024 war er Mitglied des Gemeinderats – über Jahre hinweg als Fraktionsvorsitzender –, von 2006 an saß er zudem zehn Jahre lang für die CDU im baden-württembergischen Landtag. Nebenbei, so könnte man fast sagen, war und ist er Partner in der Anwaltskanzlei „Bender, Harrer, Krevet“: ein ziemlich ambitioniertes Programm.

Der Wert des Ehrenamts

„Ich wollte mich immer über den Beruf hinaus einbringen. Ohne ehrenamtliches Engagement funktioniert unser Gemeinwesen nicht“, sagt Lusche. Heute, so stelle er fest, sei zwar eine stetig wachsende Zahl an Meinungen zur Stadtpolitik wahrzunehmen, aber immer weniger Bereitschaft zum kontinuierlichen Engagement in politischen Gremien. Dabei sei der personelle Wechsel und die gute Durchmischung von großer Bedeutung für die Arbeit des Gemeinderats: „Erfahrung ist wichtig, frischer Wind aber auch.“

Die Themen und Menschen

In seinen frühen Rats-Jahren war die Zollfreie Straße noch ein großes Thema – sie ist längst Normalität. Aber auch andere Mobilitätsfragen, Bildungs- und Bauthemen wurden schon damals intensiv erörtert – etliche beschäftigen die Stadträte bis heute.

Neben der politischen Arbeit habe er die Begegnungen mit anderen Stadträten als bereichernd empfunden – und sie mussten keineswegs der gleichen Auffassung sein: „Friedrich Vortisch, Ursula Vollmer, Werner Lacher, Hubert Bernnat, Gerd Wernthaler – um nur einige zu nennen – haben den Gemeinderat und seine Debatten auf eine gute Art und Weise geprägt.“

Mit den Jahren habe sich auch die Verwaltung gewandelt – wobei: „’Die Verwaltung’ hat es ohnehin nie gegeben“, sagt der 55-Jährige: „Es gab immer schon hervorragende Leute im Rathaus und Mitarbeiter, die ihren Job weniger gut machen – wie anderswo auch.“

Die Stadtverwaltung

Mit Blick auf die derzeitige Stadtspitze betont er seine persönliche Wertschätzung für Jörg Lutz. Dessen Amtsführung als Oberbürgermeister indes „überzeugt mich nur eingeschränkt.“ Es sei richtig, dass die Stadt nicht versuche, „durchzuregieren“. Gleichwohl gelte: „Moderieren und lavieren ist nicht das Gleiche.“ Er wünsche sich, so Lusche, mehr Klarheit und Standhaftigkeit und weniger „situatives Reagieren“ vom Führungsduo der Kommune. Lörrach könne nicht auf ewig so bleiben, wie es ist, sagt der Christdemokrat etwa mit Blick auf die Frage der Notwendigkeit von drei Ortsverwaltungen. Auch die Kultur sei „sehr wichtig“. Aber: „Es gibt andere Dinge, die sind mindestens genauso wichtig.“

Die Herausforderungen

Lusche erinnerte auch an die Pandemie: „Eine Ausnahmesituation, mit der noch kein Gemeinderat konfrontiert war.“ Die Konsequenzen von Corona hätten die Bewältigung des anhaltenden Strukturwandels – Stichworte: Krankenhaus- und Vogelbach-Areal, Köchlin-Gelände – nicht einfacher gemacht. Überhaupt sei er sicher, dass wirtschaftliche Themen wieder stärker an Bedeutung gewinnen werden. Dieser Blick auf die Gesamtstadt sei für ihn als Stadtrat unerlässlich. Die Tendenz, dass sich einzelne Gruppen zusehends auf ihre eigenen Interessen fokussierten, halte er für problematisch.

Die Transparenz

Wirklich bedenklich sei aber, dass immer mehr Gruppierungen bereit seien, die Rechtmäßigkeit von Prozessen und Ergebnissen in Zweifel zu ziehen, wenn sie nicht das bekommen, was sie wollen, sagt er. Aber: „Das Maß an Transparenz ist heute viel höher als vor 20 Jahren.“ Was die Politik ebenfalls verändert habe, seien „die so genannten sozialen Medien. Früher mussten wir uns in der Diskussion persönlich begegnen, heute kann jeder im digitalen Raum politisch um sich schlagen – mitunter auch anonym“, bedauert er. Aufs Ganze besehen habe sich Lörrach aber zweifellos positiv entwickelt: „LÖ, Areal Conrad, Sporthalle Brombach, Albert-Schweitzer-Gemeinschaftsschule“, nennt er als Projekte aus der jüngsten Zeit. Es sei, so betont Lusche ausdrücklich, auch ein großer Erfolg, dass bestimmte Angebote überhaupt aufrecht erhalten werden: etwa der Burghof oder eine funktionierende Innenstadt.

Der Abschied

„Ich spüre, dass ich einfach nicht mehr die Geduld habe für ausufernde Debatten mit offenem Ergebnis. Aber ich weiß, dass ich diese Geduld als Stadtrat mitbringen muss“, sagt Lusche. Es sei nun der Zeitpunkt gekommen, um Platz zu machen für andere. Für ihn beginne nun ein neues Kapitel – ohne politische Verpflichtung.

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