Lörrach Mit glänzender Virtuosität

Tonio Paßlick
 Foto: Tonio Paßlick

Kultur: Pariser Flötistin Magali Mosnier und Kammerakademie Potsdam im Burghof

Von Tonio Paßlick

Lörrach. Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ sind ein Dauerbrenner des klassischen Repertoires. Die vier Violinkonzerte des „roten Priesters“ sind zwar nach der Romantik einige Jahrzehnte lang in den Archiven verschwunden, gehören aber wieder zur gern gehörten Literatur für virtuose Solisten und erfahrene Kammerorchester.

Gefragte Solistin

Am Sonntag war eine der aktuell gefragtesten Querflötistinnen mit einer eigenen Bearbeitung der Quattro Stagioni im Burghof zu hören. Freuen durfte sich das Publikum nach den Ankündigungen auf die brillante Virtuosität der Pariser Flötistin Magali Mosnier. Zu faszinieren vermochte sie aber vor allem mit ihrer schlanken, unprätentiösen Tongebung und ihren magisch schönen Kadenzen, die in den langsamen Sätzen zu schier atemloser Spannung führten.

Die Kammerakademie Potsdam hatte für Lörrach Werke ganz im Zeichen der musikalischen Naturmalerei ausgewählt. Seit 20 Jahren belebt sie die klassische Musikszene mit ihren elektrisierenden Musikerlebnissen, ihren unkonventionellen Präsentationen und einer Revitalisierung barocker Kompositionen.

Gespannt sein durfte man auch auf zwei selten gehörte Werke von Matthew Locke und Johann Adolph Hasse – beide im Musikbetrieb leider unterschätzte Komponisten, die in ihren Ländern jedoch erfolgreiche und in der Barockzeit bekannte Wegbereiter von Größen wie Purcell und Mozart waren. Deshalb hätte das Konzert durchaus ein noch größeres Publikum verdient.

Stürmischer Barock

Der „stürmische Barock“ im Titel des Konzertabends begleitet das Programm vom ersten bis zum letzten Takt. Mit der Bühnenmusik zu Shakespeares „The Tempest“ erinnern viele Passagen und anmutige Melodielinien der Musik von Locke an englische Volksmusik. Die Musik hatte die Aufgabe, die atmosphärischen Emotionen des Theaterpublikums zu unterstützen und die gegensätzlichen Charaktere zu beschreiben. Tänzerische Elemente wechseln mit dramatischen Bass-Linien. Mit leidenschaftlicher Lust an der instrumentalen Nachahmung von heulenden Winden und rauschenden Wellen sprach die reine Spielfreude aus dem vorzüglichen Zusammenspiel des Barock-Orchesters.

Naturgewalten in Musik

Als Venezianer musste Vivaldi selber nicht zur See fahren, um die adriatischen Naturgewalten durch den Blick aus seinem Studierzimmer zu kennen. Aus seiner Glanzzeit stammte das erste seiner sechs Flötenkonzerte Opus 10, mit dem die Querflöte alle Register ihrer Spielkunst ziehen durfte. Mit dem Wechsel zwischen Allegro, Largo und Presto war die beliebte Reihenfolge der Affekte eingeführt, mit der zwischen schäumendem Sturm, Atempause und Stille und noch stärker hereinbrechenden Winden melodische Bögen bis zu wahnwitzigen Tempi gesteigert werden konnten, um sich im Auge des Sturms durch die kantilene Ruhe des Largos zu erholen. Magali Mosnier bewies dabei eine meisterhafte Zurückhaltung. Im Wechselspiel zwischen Cello, Bratschen und Flöte erschuf sie Momente von erhabener Größe.

Erhabene Größe

Johann Adolph Hasse gilt als einer der wichtigsten Vertreter der italienischen Opera Seria und war unbestreitbar das musikalische Idol des Spätbarocks. Seine „Fuga und Grave g-moll“ gehörte zu den Glanzpunkten des Konzertes. Wie Girlanden rankten sich musikalische Verzierungen um chromatische Melodie-Bögen. Auch hier zeigte das Orchester eine virtuose polyphone Spielfreude, über die Mosnier bukolisch anmutige Stimmungen zeichnen und sphärisch schwebende Klänge zaubern durfte.

In den Vier Jahreszeiten im zweiten Teil des Abends bestand der wesentliche Genuss des Hörens weniger in der stupenden Virtuosität der Solistin, sondern vielmehr im Ausreizen des Klangspektrums der Instrumente. Vivaldi hatte schon 1725 die Zeilen seiner Sonette zu einzelnen solistischen Passagen hinzugefügt, um die Musiker zur höchsten Imitation zu animieren. Vogelgezwitscher und klirrendes Eis durften bei Mosniers Arrangement durch Mittel zeitgenössischer Musik erzeugt werden. Eine erfrischend aktuelle Wahrnehmung barocker Fabulierkunst.

Kratzlaute und hörbarer Atem gehören zum Repertoire erfrischender Interpretationen, nicht nur rasante Tempi und ausgereizte Affekt-Wechsel. So wird Barock-Musik zu einem spannenden und zugleich verzaubernden Erlebnis.

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