Lörrach Mit Christian Brückner tief in die Grüfte

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Der bekannte Sprecher Christian Brückner las aus Stifters „Ein Gang durch die Katakomben“. Foto: Jürgen Scharf

Kulturabend: Schuberts letzte Klaviersonate in B-Dur im Dialog mit Adalbert Stifter

Lörrach (js). Ein musik-literarischer Abend, der von den „Letzten Dingen“ erzählte: Das war das Wort-Ton-Programm „Zwischenwelten“ mit dem bekannten Sprecher Christian Brückner und Hideyo Harada am Flügel im Burghof – eine Reflexion über den Sinn des Lebens, Tod und Vergänglichkeit.

Schuberts letzte Klaviersonate in B-Dur mit ihrem zweiten Satz, einem Abschiedslied, trat in einen Dialog mit der zwei Jahrzehnte später entstandenen Abhandlung „Ein Gang durch die Katakomben“ des österreichischen Schriftstellers Adalbert Stifter.

Der Ich-Erzähler nimmt das Publikum zu einer Besichtigung der Grabkammern unter dem Wiener Stephansdom mit. Bei der Konzertlesung wurde der Text an passenden Stellen unterbrochen, um Schuberts Musik, einem anderen Seelenpanorama, das in stille und unirdische Sphären führt, Raum zu geben.

Stifters Erzählung ist ein Blick in die Vergangenheit des alten Wien. Es geht um den Stephansfriedhof, der keiner mehr ist, sondern ein Platz mit „schönen Häusern“ und „glänzenden Karossen“, die über das Pflaster rollen, unter dem die „Reste unserer Vorfahren“ ruhen. Der bedeutende Schriftsteller des Biedermeier beschreibt eine weitläufige Totenstadt, eine „Stadt der Grüfte“, mit Trümmern von Särgen und Moder.

Brückner, der zu den bekanntesten Stimmen Deutschlands gehört – er ist die deutsche Synchronstimme von Hollywoodstar Robert De Niro – las die ergreifende Schilderung dieser seltsamen Stätte. Der 79-Jährige spricht leise, zurückgenommen, ohne auffällige Betonungen, bleibt aber stets im Erzählfluss. Brückners Stimme klingt monoton, um nicht zu sagen etwas altersmüde, aber das Stockende dieser nach wie vor unglaublich markanten, balsamisch-samtigen Stimme und die versunkene Verinnerlichung passen wiederum nicht nur zur düsteren Geschichte, die mit Kerzen und Fackeln immer tiefer in die Grüfte hineinführt, sondern gleichermaßen zu Schuberts Musik.

Besonders zum selig-traurigen Gesang des zweiten Satzes – Andante sostenuto –, und zum stockenden Verlauf des dämonischen Finalsatzes, wo die Note G sich der Tonart widersetzt und den Gang der Musik mehrfach anhält. Dieser Schlusssatz ist so leer im Ausdruck wie die toten Augen vom Wiener Stephansfriedhof.

Harada donnert nicht, sondern bleibt lyrisch, spielt licht getönt, fließend, gesanglich bis auf gelegentliche Ausbrüche, setzt vorsichtige Akzente. Der dumpfe Basstriller in Ges im letzten Satz wirkt vor dem Hintergrund des todesumwehten Textes wie eine leise drohende Mahnung, die auch bei Stifter durchklingt: Mensch, werde wesentlich. Eine Erinnerung an die eigene Sterblichkeit.

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