Lörrach Senioren und die Liebe zum Huhn

Gabriele Hauger
Leckerlis von Marcus Ehmann gibt es für Carl Gustav und zwei seiner Mädels neben dem Schlafstall. Foto: Gabriele Hauger

In Tumringen wird gegackert: Die Gevita ist aufs Huhn gekommen. Wie steht es sonst um Belange der Senioren?

Carl Gustaf kräht. Er möchte seine Damen rufen, schließlich gibt es Leckerlis, direkt aus den Händen des Chefs Marcus Ehmann. Dabei lässt der stolze Hahn den Ladies Vortritt, da ist er ganz Gentleman.

Ein Hühner-Luxusleben

Die vier Blumenhühner – eine schwedische Rasse, die zwischenzeitlich vom Aussterben bedroht war – haben ihr Domizil rund um die Gevita Residenz in Tumringen: viel Grün, Auslauf und ein knallrotes Schlafhäuschen. Ein echtes Hühner-Luxusleben führen die vier seit einem Jahr. Damals hatte der Einrichtungsleiter die Idee, mit dem Federvieh Leben und Freude zu den Senioren zu bringen. Die Rechnung ging auf.

Hahn Carl Gustaf mit seinen Mädels Foto: Gabriele Hauger

Mittlerweile ist der gackernde Trupp den Bewohnern, Besuchern, aber auch den umliegenden Anwohnern ans Herz gewachsen. „Die Tiere erinnern viele Senioren an ihre Kindheit, sie haben etwas Beruhigendes, und es ist spannend, sie zu beobachten“, sagt Ehmann.

Intelligente Tiere

Er selbst fand Hühner früher doof. Seine Frau überzeugte ihn aber, privat Hühner anzuschaffen. Schnell war er begeistert über das intelligente, quirlige Federvieh. Hasen oder Kaninchen versteckten sich viel oder schlafen. Hühner hingegen seien tagsüber fast immer aktiv, erklärt Marcus Ehmann. Da wird gepickt, geputzt, gelaufen, gegackert, oder sie nehmen genüsslich ein Sonnenbad. Wird es dunkel, gehen sie freiwillig in ihr Schlafhäuschen. Wird dort drinnen in aller Frühe gekräht, stört das keinen.

Ein Drama

Viele Bewohner haben die Blumenhühner ins Herz geschlossen, suchen sie auf ihren Spaziergängen auf, füttern sie. Als zwei der ursprünglich fünf Exemplare von Marder, Fuchs oder Hund gerissen wurden, weil der Mechanismus des Schlafhäuschens nicht funktionierte, war die Bestürzung groß.

Marcus Ehmann Foto: Gabriele Hauger

Inzwischen sind die Vögel nicht mehr wegzudenken. Sie sorgen für Gesprächsstoff, vermitteln Wärme und entspannen, ist Ehmann überzeugt. Wie im übrigen auch andere tierische Besucher. So gibt es regelmäßig Hundebesuch vom Rot-Kreuz-Besuchsdienst oder privat Angestellten, die Hundebesitzer sind. Er sieht dies als wichtigen Beitrag dafür, dass sich die Bewohner wohl fühlen.

„Niemand sagt, er möchte gern in ein Heim“

„Niemand sagt, er möchte gern in ein Heim“, weiß der Einrichtungsleiter. Er wirbt indes dafür, sich dem Thema „Wie lebe ich im Alter“ rechtzeitig zu stellen. Häufig werde damit zu lange gewartet. Dann passiert ein Sturz – und es muss schnellstmöglich eine Lösung her. „Dann wird es schwierig, etwas Passendes zu finden.“ Er selbst blickt entspannt auf das Älterwerden. „Ich erlebe täglich, dass es auch im Alter viel Lebensqualität gibt“ – auch in einer Seniorenresidenz. Alte Menschen, die in ihrer eigenen Wohnung bleiben, aber nicht mehr mobil sind, vereinsamten hingegen oft.

Positive Beispiele

Er erlebt indes tagtäglich, in welche Konflikte das Älterwerden viele Familien stürzt: Die Kinder sind beruflich eingespannt, haben selbst Kinder, wohnen oft weit entfernt. Dennoch leiden sie an einem schlechten Gewissen, wenn die Eltern ins Heim müssen. Und die Senioren wollen nicht ausziehen, obwohl Haus und Garten viel zu groß und unpraktisch sind. Dabei erlebt Ehmann oft sehr positive Beispiele. Nach anfänglicher Ablehnung schätzten viele Bewohner das Leben in der Residenz. „Sie schließen Freundschaften, tun sich mit Gleichgesinnten zusammen, werden umsorgt.“ Ganz wichtig: das Essen, quasi die „Erotik des Alters“, wie Ehmann lachend sagt.

Er wünscht sich, dass die Menschen rechtzeitig, wenn sie noch rüstig sind, beispielsweise die Option betreutes Wohnen wählen. Verschlechtere sich dann der Zustand, fänden sich die Senioren viel besser zurecht, gerade im Fall von Demenz. Ziel sei es, dass die fitten Bewohner bis zum Schluss in der ihnen vertrauten Umgebung der Gevita bleiben können.

Eine erfüllende Arbeit

Marcus Ehmann liebt seine Arbeit, vor allem der Menschen wegen – von den Bewohnern bis zu den Kollegen. In seinem Zivildienst entdeckte er den Beruf des Pflegers, der für ihn zuvor völlig undenkbar war. „Die Arbeit ist sehr erfüllend, gerade mit den alten Menschen gibt es oft viel zu lachen und auch viel Dankbarkeit.“ So geht er jeden Tag gerne zur Arbeit. Und seit einem Jahr freut er sich zusätzlich auf Carl Gustaf und seine Mädels.

Info

Die Gevita-Residenz in Tumringen
wurde 1993 gegründet. Die Einrichtung hat sich zunehmend nach außen geöffnet. Seit 1995 gibt es den ambulanten Dienst. Es gibt den Pflegedienst, Hausnotruf und seit 2007 die Tagespflege. Dernen Nachfrage hat seit Corona nachgelassen. Dabei stellt sie laut Marcus Ehmann ein wichtiges Angebot dar, dass die Senioren beschäftige, fördere, Kontakte herstelle und die pflegenden Angehörigen zudem entlaste. In der Residenz gibt es 101 Apartments für betreutes Wohnen, acht Plätze im Pflegehotel (Verhinderungspflege) sowie 50 Plätze im stationären Bereich, davon 26 geschützte für Demenzkranke.

Das Café
der Gevita mit Außenterrasse ist geschätzter Begegnungsort und steht allen – Bewohnern, Freunden, Anwohnern oder Spaziergängern – offen.

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