Kandern Aus Winterquartier ausgecheckt

wok
Seit zehn Jahren begleitet Harald Brändlin (v.l.) aus Kandern den 34-jährigen Wanderschäfer Hartmut Fauser auf dem 200 Kilometer langen Heimweg aus dem Markgräflerland nach Engstlatt bei Balingen.Foto: Kaja Wohlschlegel Foto: Weiler Zeitung

Berufe: Hartmut Fauser zieht mit 600 Schafen und 100 Lämmern zurück auf die Schwäbische Alb

Kandern - Die Matten rund um Kandern sind abgegrast. Etwa zehn Wochen lang haben die 700 vierbeinigen Gäste aus dem Schwabenland die Klee- und Gras-Spezialitäten von den Markgräfler Weiden abgeknabbert; jetzt brechen sie ihr Winterquartier ab und ziehen mit ihrem „Guide“, Wanderschäfer Hartmut Fauser aus Engstlatt bei Balingen, zurück auf die Alb.

Etwa vier Wochen dauert der Marsch, auf dem Harald Brändlin aus Kandern seit nunmehr zehn Jahren den 34-jährigen Schäfer begleitet. Je nachdem, was die Weide an Kulinarik zu bieten hat, legt die Herde täglich fünf bis zehn Kilometer zurück. Als Faustregel gilt: Je höher das Gras, desto höher das Tempo. Die Winterweide pachtet der Schäfer pauschal bei der Gemeinde.

Wenn aber ein Landwirt nicht will, dass der Schäfer mit seiner Herde über dessen Gelände zieht, zum Beispiel, weil es frisch eingesät ist, markiert der die Fläche mit einem „Stroh-Wisch“, einem besenartigen Stock. Dann macht der Schäfer um diese Matte einen großen Bogen.

Fauser liebt seinen nicht alltäglichen Beruf, den er nun schon in dritter Familiengeneration ausübt. „Ich bin da so hineingewachsen“, sagt er gelassen, „etwas anderes kam für mich nie in Frage“. Während der dreijährigen Berufsausbildung lernte Fauser insbesondere auch mit Unvorhergesehenem umzugehen. Nicht selten muss er Entscheidungen fällen, die sonst ein Tierarzt trifft. Oder aber er ist als Geburtshelfer gefragt. „Normalerweise bringen die Muttertiere die Lämmer ohne fremde Hilfe zur Welt“, berichtet er.

Das Ostergeschäft fällt dieses Jahr aus

Was Fauser im Moment große Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass das Ostergeschäft und damit die Haupteinnahmequelle fast als „Totalausfall“ verbucht werden muss. Normalerweise verkauft er in der Osterzeit einen Großteil seiner Lämmer an die Gastronomie. In diesem Jahr wird er sie wohl aufwachsen sehen.

Auch ohne die corona-bedingten Verdienstausfall liegt der Stundenlohn eines Schäfers weit unter dem Mindestlohn. Und dennoch kam für Fauser kein anderer Beruf in Frage. „Ich liebe es an der frischen Luft zu sein, bei meinen Tieren, und außerdem lerne ich immer neue Leute kennen“, schwärmt er. Beinahe täglich kommen Eltern mit ihren Kindern zur Schafherde. „Als erstes fragen sie, wie viele Schafe ich habe und dann wollen sie wissen, ob ich im Anhänger übernachte“, schmunzelt der Schäfer.

Ganz früher war das tatsächlich so. Damals war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die örtlichen Bauern den Wanderschäfer unterstützten. Sie boten ihm eine Übernachtungsmöglichkeit an oder schickten die Magd mit einer warmen Mahlzeit auf die Weide – und wenn die Essenslieferung etwas länger dauerte, dann wurde dieser Umstand als „Schäferstündchen“ umschrieben.

In der Anfangszeit war Fausers Vater Friedrich noch ohne Auto unterwegs, nur mit einem Esel. Und wenn er seine Schafe in Kandern geweidet hat, dann durfte er bei Familie Brändlin übernachten, die in jener Zeit selbst Schafe hielt. So entstand eine jahrzehntelange Verbindung und Freundschaft.

Fauser führt seine Herde fast ausschließlich über Nebenstraßen, Wald- und Feldwege. Allerdings passiert es hin und wieder, dass sie Ortschaften passieren müssen. Der Schäfer ist selbst erstaunt, dass das befürchtete ungeduldige Hupkonzert meistens ausbleibt, obwohl er mit seinen Tieren gerade die ganze Straße verstopft und den Verkehr zum Erliegen bringt. „Meistens holen alle gleich das Handy heraus und machen ein Foto“, freut er sich darüber, dass er offenbar weniger als Belästigung, sondern vielmehr als Attraktion wahrgenommen wird.

Der Heimweg auf die Alb führt von Kandern über die Scheideck nach Hausen, weiter durchs Wiesental nach Wehr, hinauf nach Rickenbach und über den Hotzenwald nach Bonndorf. Die Route führt dann über Donaueschingen und Rottweil nach Hause nach Balingen.

Und wenn die Schafe den Sommer und den Herbst über dort die hundert Hektar Weidefläche wieder abgegrast haben, machen sie sich erneut auf in den Winterurlaub im Markgräflerland.

Umfrage

Deutschland Fans

Verfolgen Sie die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland?

Ergebnis anzeigen
loading