Lörrach Zahlreiche Ungereimtheiten

Die Oberbadische
Ulrich Chaussy (l.) und Dirk Laabs Foto: Markus Greiß Foto: Die Oberbadische

Rechtsterrorismus: Vortrag: Vom Oktoberfestattentat zum NSU

Von Markus Greiß

Lörrach. Was haben das Oktoberfestattentat von 1980 und die Serie von Morden, Banküberfällen und Anschlägen zu tun, mit denen der 2011 aufgedeckte „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) Deutschland viele Jahre lang überzog? Die beiden Journalisten Ulrich Chaussy und Dirk Laabs sehen die Verbindung in der bewussten Verschleierung unbequemer Wahrheiten durch staatliche Stellen. Bei ihrem gemeinsamen Vortrag im Nellie Nashorn gingen Chaussy und Laabs am Dienstag auf die Rolle des Staates bei der Aufklärung rechtsterroristischer Straftaten ein.

Über Jahrzehnte hat Chaussy für die Wiederaufnahme der Ermittlungen zum Attentat auf dem Münchner Oktoberfest vom 26. September 1980 gekämpft, das 13 Tote und mehr als 200 Verletzte forderte – letztlich mit Erfolg. Im Dezember 2014 wurde das Ermittlungsverfahren durch den damaligen Generalbundesanwalt Range wieder aufgenommen. Und das offenbar aus gutem Grund, bestanden doch von Anfang an Zweifel an der offiziellen Version, der Anschlag sei der „erweiterte Selbstmord“ eines vom Leben enttäuschten Einzeltäters gewesen.

Ernstzunehmende Spuren, die von der Einzeltäterthese wegführten

Ernstzunehmende Spuren, die von der Einzeltäterthese wegführten, seien ab Mitte November 1980 nicht mehr verfolgt worden – aus politischen Gründen, wie Chaussy vermutet. Der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß habe die rechtsterroristische „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (WSG) unterschätzt und den liberalen Bundesinnenminister Baum für deren Verbot verspottet.

Nach dem Attentat durch den WSG-Anhänger habe man nun Ermittlungen gefürchtet, die das Versagen von V-Leuten des bayerischen Verfassungsschutzes in der Szene dokumentiert hätten. Der Film „Der blinde Fleck“, zu dem Chaussy das Drehbuch schrieb, benennt die zahlreichen Ungereimtheiten bei den Ermittlungen.

Dass die Behörden auch im Falle der NSU-Morde „auf dem rechten Auge blind gewesen sind“, hält Dirk Laabs für abwegig. Im Zuge der zahlreichen Anschläge auf Flüchtlingsheime und Häuser von Migranten Anfang der 90er-Jahre sei die rechte Szene systematisch vom Verfassungsschutz unterwandert worden. Die große Gefahr, die vom Rechtsterrorismus ausging, sei also bekannt gewesen. Trotzdem sei es nicht gelungen, die Puzzlestücke zum NSU zusammenzusetzen.

Seit der Selbstenttarnung des NSU 2011 sei nun eine „gesteuerte Desinformation der Öffentlichkeit“ zu beobachten. Dazu passe die Aussage von Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche, es dürften „keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren“. Diese Haltung führe dazu, dass der Geheimdienstapparat dem Parlament unter dem Hinweis auf den Quellenschutz Informationen vorenthält. Und die Politik spiele vielfach mit – aus Angst, ohne das Instrumentarium der V-Leute künftige Anschläge nicht verhindern zu können. Dabei sei die Aufdeckung der rechtsextremen Netzwerke hinter dem NSU dringend erforderlich, sind diese doch laut Laabs weiterhin „aktiv und brandgefährlich“.

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