Lörrach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

Die Oberbadische

1200 Schüler auf den Spuren Struves / Jugendliche haben breit gefächerte Vorstellungen von Demokratie

Von Dennis Kalt

Lörrach. „Wohlstand, Bildung, Freiheit für alle“, sind die Forderungen, die der „Zugführer“ durch das Megafon in der Basler Straße am Bahnhof Stetten erschallen lässt und damit den „Marsch der Revolutionäre“ mit dem Ziel Altes Rathaus in Bewegung setzt. Rund 1200 Schüler schließen sich dem Zug an, um am Tag der Demokratie Gustav Struve und seinen Mitstreitern zu gedenken.

Stefanie Jagasia und Katharina Lehmann begleiten die Neuntklässler der Kooperationsklasse der Pestalozzischule und sind bemüht, in dem dichten Schülergewimmel kurz vor Beginn des Aufmarschs ihre Klasse nicht aus dem Blick zu verlieren. „Wir hatte nur eine Woche Zeit, die Jugendlichen auf den Tag der Demokratie vorzubereiten, da die Sommerferien ja erst kürzlich zu Ende gingen“, erzählt Lehmann und ergänzt: „In der vergangenen Schulwoche haben wir grundsätzliche Fragen zum Thema Demokratie erörtert.“

So zum Beispiel was der Unterschied zwischen Demokratie und Monarchie sei und seit wann es diese in Deutschland gäbe. „Wir haben jedem Schüler Flyer mitgegeben, auf denen die wichtigsten Informationen zur Demokratie und zum Wirken Gustav Struves enthalten waren“, sagt die Lehrerin Stefanie Jagasia.

Die Siebenzehnjährige Desiree Saulnier versteht unter dem Begriff der Demokratie die Schlagwörter „Gerechtigkeit, Freiheit und Brüderlichkeit.“ So sei mit Gerechtigkeit beispielsweise die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, das gleiche Recht auf Bildung unabhängig vom finanziellen Status und die gesellschaftliche Gleichbehandlung von Homosexuellen verbunden.

Ihr fünfzehnjähriger Klassenkollege der Pestalozzischule, Florian Pasini, führt zum Begriff „Freiheit“ aus: „Das Gegenteil der Demokratie ist die Diktatur. Menschen, die in einer Diktatur leben, sind nicht frei. Sie haben kein Recht zu demonstrieren, haben keine Möglichkeit ihre freie Meinung zu äußern.“ Unter dem Begriff der Brüderlichkeit versteht die fünfzehnjährige Jasmina di Pasquale, dass die Bürger einer Gesellschaft „gut miteinander auskommen“.

„Demokratie sollte nichts Festgefahrenes sein“

Auch organisatorisch wirkt die Pestalozzischule am Tag der Demokratie mit: „Die achte Klasse übernimmt das Catering. Es werden unter anderem belegte Brötchen angeboten“, sagt Jagasia.

Als der Revolutionszug ins Rollen kommt, werden zahlreiche Plakate und Banner von Schülern gehisst, auf denen die Parolen und Forderungen der Struve-Anhänger zu vernehmen sind: „Meinungsfreiheit“, „Freies Versammlungs- und Vereinsrecht“, „Die Macht dem Volke!“, „Nieder mit der Monarchie“. So hat die zehnte Klasse der Theodor-Heus-Realschule in der ersten Woche nach dem Ende der Sommerferien zahlreiche Plakate mit Holzgriffen angefertigt, die von jeweils zwei Schülern in die Höhe gestreckt werden.

„Die Atmosphäre die hier versprüht wird, fühlt sich fast so an, als würde es sich um einen echten Aufmarsch handeln“, sagt eine Plakatträgerin der Theodor-Heuss-Realschule und ein Klassenkamerad ergänzt: „Die Stimmung ist hier so, als wenn bei einem Fußballspiel die Heimmannschaft ein Tor geschossen hätte.“ So bricht gleich zu Beginn des Aufmarsches, nachdem der Zugführer das Wort ergriffen hatte, ein gigantischer Jubelstrom in der Menge aus.

Die konkreten Vorstellungen, welche die einzelnen Schüler zum Demokratiebegriff haben, sind breit gefächert: „Demokratie beinhaltet ein allgemeines, geheimes und freies Wahlrecht“, meint eine siebzehnjährige Schülerin des Hans-Thoma-Gymnasiums. „Religionsfreiheit und die Achtung der Würde der Menschen“, sagt ein fünfzehnjähriger Schüler der Neumattschule. Aber auch Begriffe wie „Pressefreiheit“, Gewaltenteilung“ und „Mehrheitsprinzip“, werden von den Schülern immer wieder aufgezählt.

Doch nicht nur positive Elemente der Demokratie werden von den jungen Zugteilnehmern genannt. So äußerst sich die sechzehnjährige Hebel-Gymnasiasten Jule Sommer skeptisch: „In Mitteleuropa wird das Demokratiebild zu wenig hinterfragt. Die Menschen empfinden es als das beste politische System ohne jedoch zu überlegen was man an diesem verbessern könnte.“ Ihre Klassenkameradin Miriam Oelgarch betont: „Demokratie sollte nicht etwas Festgefahrenes und Unveränderliches sein, sondern sich unter gegeben Umständen auch wandeln können.“

Dieser Meinung schließt sich auch Christian Tschirner, Geschichtslehrer am Hebelgymnasium, an: „Reicht es wirklich schon aus, alle vier Jahre ein Kreuzchen zu machen, um sagen zu können, die Macht geht vom Volk aus?“

Längerer Vorlauffür Schulklassenwäre sinnvoll

Tschirner bezeichnet den Zeitpunkt dieses Gedenktages, wie viele seiner Berufskollegen, als „ungünstig“: „So kurz nach den Sommerferien fehlt einfach der nötige Vorlauf, um die Klassen adäquat auf eine solch wichtige Veranstaltung vorzubereiten.“ Hingegen sei die Veranstaltung an sich eine „super Sache“ und könne ruhig „jedes Jahr“ veranstaltet werden: „Ich finde es sehr schön, dass sich Lörrach in Anlehnung an dieses historische Datum als Stadt der Demokratie zu erkenn gibt“, sagt der Geschichtslehrer.

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