Basel Zu Unrecht vergessener Komponist

Die Oberbadische
„Die Geburt der Schönheit“ feierten die zehnte Internationalen Arthur Lourié-Musiktage bei einem Konzertabend mit Entdeckungen im Gare du Nord. Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Gare du Nord: Internationale Arthur-Lourié-Musiktage erinnern zwei Tage lang an verkanntes Genie

Basel. Fotografien zeigen ihn kosmopolitisch, gut gekleidet, elegant, lässig die Zigarette zwischen den Fingern, mit Einstecktuch und immer lächelnd: Er war kein Diplomat aber ein Weltmann, der Komponist Arthur Lourié, der im Oktober vor genau 50 Jahren starb. So polyglott wie seine Erscheinung ist auch seine Musik – wunderbar vielfältig.

In Basel kümmert sich die Arthur-Lourie-Gesellschaft um das Erbe des zu Unrecht vergessenen Komponisten und verkannten Genies. Bei den beiden Konzerten am Dienstag und Mittwoch im Gare du Nord, der zehnten Auflage der Internationalen Musiktage Arthur Lourié, war der Jugendstil-Bahnhofsaal jeweils ausverkauft – sogar für die Veranstalter eine angenehme Überraschung.

Am ersten Abend hörte man „The Best of Lourié“ in der Kammermusik. Stücke, die Strawinskys Sacre du Printemps wachrufen, aber auch Debussys Impressionismus, darunter das meistgespielte Werk Louriés, das Concerto da Camera. Am zweiten Abend gab es unter dem Titel „Die Geburt der Schönheit“ einen Konzertabend der Entdeckungen. Vor allem im Vokalschaffen des St. Petersburger Komponisten, dessen Lebensreise ihn über Berlin, wo er Busoni-Schüler war, und Paris nach New York führte. Louriés Petersburger Frühwerke haben bei allem Avantgardismus und Futurismus noch etwas Spätromantisches. Vor allem das mystische Triptychon Golos Muzy (Die Stimme der Muse) für Sprecherin und Frauenstimmen, ein Werk, das zum ersten Mal in einem schweizerischen Konzertsaal aufgeführt wurde.

Es entstand auf Gedichte der bedeutenden, charismatischen russischen Dichterin Anna Achmatowa, die als die Seele des silbernen Zeitalters in der russischen Literatur gilt. Lourié befreundete sich mit der Dichterin und dem Dichter Alexander Blok an. Die Lyrik Achmatowas hat er als Erster überhaupt vertont. Stefan Hulliger von der Basler Lourié-Gesellschaft, der künstlerische Leiter des Festivals, der auch moderierte, hat Antiquariate und Archive durchstöbert und das World Wide Web durchforstet, um auf Noten von Lourié zu stoßen. Viele der Partituren haben nach Basel ins Paul Sacher-Archiv gefunden.

Die Mezzosopranistin Margarita Slepakova als Sprecherin und zwölf Frauenstimmen besorgten in der „Stimme der Muse“ die sehr stimmungsvolle rhythmische Lesung der drei Achmatova-Gedichte. Zuvor gab es ein spannendes Klagelied für zwei Stimmen dieser russischen Chronistin mit instrumentaler Begleitung sowie ein klangvolles Madrigal (Canzone de Dante) von 1921 für Frauenchor und Streicher als Welturaufführung.

Nicht länger einfach übergehen

Die Lourié Festival Strings mit Egidius Streiff an der ersten Violine und weitere Instrumentalisten unter Leitung von Raphael Jud interpretierten die Raritäten mit spürbarem Engagement und großem Einfühlungsvermögen. Dazwischen spielte der 30-jährige Pianist Moritz Ernst, Festival Artist 2016, abwechslungsreiche, farbige und raffinierte Klavier-Intermezzi von Lourié, die er soeben zum Jubiläumsjahr als Gesamteinspielung auf drei CDs vorgelegt hat – auch eine Welt-Ersteinspielung! Dabei überzeugt er sowohl in den futuristisch hämmernden Werken wie auch in den impressionistisch-skrjabinhaften Stücken.

Der über Erwarten große Erfolg der beiden Musiktage, bei denen auch dokumentarische Filmausschnitte der Oktoberrevolution zu sehen waren, zeigt doch, dass man Lourié nicht länger einfach übergehen oder ihn gänzlich aus der Musikgeschichte eliminieren kann. Denn viele seiner Werke halten dem Vergleich zu anderen Komponisten wie Strawinsky stand: Man muss sie nur aufführen!

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